Es gibt Tage, an denen sich ein Leben für immer verändert. Tage an denen etwas ausschlaggebendes geschieht, Dinge wie einen Schulabschluss machen, die eigene Hochzeit oder die Geburt des ersten Kindes. Kleine Meilensteine in der Laufbahn eines jeden Menschen. Momente, von denen man Fotos in Alben klebt und über die man immer wieder spricht.
Es gibt für manche Menschen aber auch den Tag, an dem eine Person in einem weißen Kittel vor dir sitzt und mit den Lippen Wörtern formt, die in Zeitlupe den Rest deines Lebens beschreiben. Du siehst wie sich die Lippen deines Gegenübers bewegen, du hörst Geräusche und siehst in verständnisvolle Augen, die mit einem gewissen Mitleid versuchen dir zu erklären, warum du doppelt siehst. Warum deine Arme einschlafen, warum deine Knie nachgeben, warum du hier im Krankenhaus liegst und aussiehst wie ein Sieb wegen der unzähligen Untersuchungen die mit dir gemacht wurden.
Du starrst auf den weißen Kittel. Dein Arzt heißt “Guerreiro”, das heißt Krieger. Du lächelst. Die Wörter “autoimmun”, “degenerativ”, “normales Leben”, schwirren wie betrunkene Vögel durchs Zimmer. Du denkst an einen Schulfreund, der dieselbe Krankheit hatte und schon lange tot ist. Du denkst an die Kinder, die du bekommen wolltest und stellst dir deinen Mann vor, wie er alleine vor einem Grabstein steht. Normales Leben, sagt der Mann im weißen Kittel. Und spricht von Medizin. Von Spritzen und Therapien. Er sagt, dass ich wahrscheinlich nicht im Rollstuhl landen werde. Wahrscheinlich werde ich laufen können. Ich kann alt werden, aber eben nicht so alt wie meine Freunde. Ich kann Kinder bekommen, aber vielleicht werden auch sie diese Krankheit erben. Der Mann im weißen Kittel ist freundlich und verständnisvoll. Man weiß es noch nicht so genau, was es so auf sich hat mit dieser Krankheit. Es gibt viele Theorien.
Seit meiner Begegnung mit dem netten Mann im weißen Kittel, hängt ein großer schwarzer Name über meinem Kopf. Alles was ich tue oder denke, steht im Schatten meiner Krankheit. Dieser Schatten begleitet mich und tränkt alles was ich erlebe in eine andere Farbe. In meinem Leben werde ich nun viel Licht brauchen, um gegen diesen großen Schatten anzukämpfen. Seit einigen Jahren wohne ich in einem Land, in dem es an Licht und Sonne nie fehlt. Zufall? Schicksal? Ich ernenne das Licht zu meinem ständigen Begleiter. Ich werde hier ein normales Leben führen, mit einer degenerativen Autoimmunerkrankung.
No comments:
Post a Comment