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Sunday, 5 August 2012

Popcorn


Er kniete auf Popcornkörnern mit dem Gesicht zur Wand und gehobenen Armen. Die Körner schienen in seine kleinen Kniescheiben eindringen zu wollen, kantige, schmerzhafte Popcornkörner. Er hasste Popcorn. Langsam zählte er von 10 bis 0. Jedesmal wenn der Gürtel auf seinen nackten Rücken niedersauste, sagte er laut die Zahl der Schläge, die noch fehlten. Sein Rücken brannte und er hoffte, sein Vater würde nicht immer auf dieselbe Stelle schlagen. Wenn er die Schläge besser verteilen würde, würde es viel weniger weh tun. Aber das wäre ja das Gegenteil von dem, was die Schläge beabsichtigten. Fünf. Vier. Drei. Zwei. Eins. Der letzte Schlag war immer der härteste. Als wäre sein Vater traurig, dass die Strafe schon zu Ende war. Als wäre der letzte Schlag der krönende Abschluss seiner Meisterleistung: einem 6-jährigem klarzumachen, dass er etwas Falsches getan hatte. 
Null.
Steh auf! 
Ja, mein Herr. 
Weinst du etwa? 
Nein, mein Herr. 
Schau mir ins Gesicht! Er hob den Kopf, glasige Augen, trotziges Kinn, starrte seinen Vater an. 
Geh auf dein Zimmer und bete fünf Ave Maria. 
Ja, mein Herr.
Er rannte in seine Kammer im Obergeschoss und warf sich aufs Bett. Gustavo schämte sich dafür, dass er weinte, also steckte er seinen Kopf unter sein Kopfkissen. Wenn sein Vater ihn weinen sah, würde er noch mehr Schläge bekommen. Seine ältere Schwester hatte hier im Zimmer auf ihn gewartet. Sie wusste genau wie diese Strafen abliefen. Mit einem Tuch, tupfte sie seinen glühendroten Rücken ab. Das in Wasser getränkte Tuch tat gut und erleichterte ein wenig den brennenden Schmerz. Christina tröstete ihren kleinen Bruder. Es half ihm, aber er konnte nicht verstehen, warum er immer der einzige war, der Schläge bekam. War er so ein schlimmer Junge? Hatte er so viel Furchtbares getan? Er hatte doch nur mit der Katze gespielt. Die hatte die Vase umgeworfen, nicht er! Aber sein Vater hatte ihm noch nie zugehört. Er brüllte ständig etwas von Disziplin, Verantwortung und davon, ein Mann zu sein. Manchmal wünschte sich Gustavo, er wäre ein Mädchen. Die hatten zwar viel mehr Arbeit zu Hause, aber wenigstens wurden sie nicht geschlagen. Keine seiner Schwestern hatten eine Ahnung, wie es war mit dem Gürtel Prügel zu bekommen. Er weinte, während Christina ihm den Rücken abtupfte. Kleiner, ich hab schon für dich gebetet. Du kannst beruhigt schlafen. Und er schluchzte und schlief ein. Gustavo träumte von einer riesigen Katze, die in einer großen Blumenvase wohnte und sich von Popcorn ernährte. Er hasste Popcorn.

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