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Tuesday, 14 August 2012

Stillstand



Ihr Puls raste, seiner auch. Sie schrie. Er auch. Es wurde lauter- Leute klatschten im Rhythmus der Musik. Sie klammerte sich ans Megaphon. Auf dem großen Wagen war nur sie zu sehen. Hunderte Studenten folgten ihnen. 

Die zierliche 19-jährige stand auf dem Wagen, ihr dunkles Haar wehte im Wind und sie schrie sich die Seele aus dem Leib. Gegen das Militärregime. Gegen die Zensur. Gegen die Ungerechtigkeit die im ganzen Land ihren Höhepunkt erreicht hatte. Sie würde schreien bis es zu Ende war! Sie würde schreien bis die Wunden ihrer gefolterten Freunde verheilt waren. Er bewunderte sie. Tigra. Das war ihr Codename. Seiner war “Céu”, das bedeutete Himmel. Wegen seiner knallblauen Augen. Das war fast schon ein gefährliches Merkmal. 

Sie hatte alles so geschickt organisiert. Wo hatte sie nur den Wagen her? Und diese riesigen Lautsprecher? Als kannte sie keine Angst. Er hatte Angst. Bald würde die Militärpolizei kommen und Gott weiß was mit ihnen machen. Er schaute sie wieder an, wie sie durchs Megaphon schrie. Es schien als würde die Zeit für einen Moment still stehen. Ihre Lippen bewegten sich in Zeitlupe, die Adern auf ihrer Stirn schwollen an. Es war fast so, als könnte er ihren Herzschlag hören. Ihr Herz schlug wie seins für Freiheit.

Dann hörte er die Pferde. Und die Gummikugeln. Alles wurde hektisch. Die Studenten versuchten so schnell wie möglich von da wegzukommen. Aber sie waren umzingelt. Es regnete Gummikugeln und Knüppel. Die Musik schien lauter zu werden. Es knallte unaufhörlich. Er hörte die Pfeifen der Polizei und Schreie seiner Kommilitonen. Er schaute zu ihr. Sie war weg. Plötzlich spürte er den Knüppel auf seinem Hinterkopf. Dann war er weg. 

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